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Montag, 27. Januar 2020
Die Arbeit geht uns nicht aus

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Beim ASB-Neujahrsempfang erläutert der Wissenschaftler Bert Rürup die Chancen und Risiken der Digitalisierung

Quelle: Heilbronner Stimme, 26.01.2020, von Jürgen Paul

Beim regionalen ASB-Jahresempfang ist stets für Zündstoff gesorgt. So nennt der Arbeiter-Samariter-Bund seine Veranstaltungsreihe, zu der der Verein jedes Jahr hochkarätige Referenten nach Heilbronn lockt. Franz Müntefering war schon da, Erhard Eppler, Evelyne Gebhardt und Paul Kirchhof. Da reiht sich Bert Rürup als Redner in diesem Jahr bestens ein.

Der Wissenschaftler, Politikberater, ehemalige Wirtschaftsweise und Wegbereiter der Basisrente („Rürup-Rente“) kann wie seine Vorgänger das Thema seiner Rede frei wählen. Und der 76-jährige Essener überrascht die rund 120 Gäste in der ASB-Zentrale im Heilbronner Schwabenhof: Denn Rürup spricht nicht über sein Lieblingsthema Rente, sondern über „Das Janusgesicht der Digitalisierung“. Seinen Zuhörern bringt Rürup aber nicht nur das lächelnde und das grimmige Gesicht der digitalen Transformation näher, sondern er nimmt sie mit auf einen Parforceritt durch die Wirtschaftsgeschichte. Schließlich hängt ja alles mit allem zusammen, und Bert Rürup versteht es meisterhaft, diese Zusammenhänge klar und verständlich darzustellen.

Falsche Fokussierung Was die Digitalisierung angeht, hat Deutschland nach Ansicht des Wissenschaftlers einen großen Fehler gemacht. „Man hat Digitalisierung hierzulande als Industrie 4.0 angesehen“, sagt Rürup. Doch diese Fokussierung greife viel zu kurz. Klar, Deutschland ist ein industriegetriebenes Land, der Anlagen- und Maschinenbau ist neben dem Autobau die wichtigste Branche. Rürup: „Deutschland ist der Ausrüster der Welt.“ Und in Industrie 4.0, also der Digitalisierung und Automatisierung der industriellen Produktionsprozesse, sei Deutschland auch sehr gut, betont der Wissenschaftler. Doch Digitalisierung ist eben weit mehr als nur Industrie 4.0. Mindestens genauso wichtig ist es Rürup zufolge, digitale Produkte und digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln. „Und da sind wir nicht gut“, stellt er nüchtern fest. Wenn es etwa um den Aufbau von Plattformen und Marktplätzen im Netz gehe, seien uns die Amerikaner und die Chinesen weit voraus. Das gelte auch im Hinblick auf die digitale Infrastruktur, die der wichtigste Standortfaktor der Zukunft sei.

Auch auf die verbreiteten Ängste, die mit der Digitalisierung verbunden sind, geht der Wirtschaftswissenschaftler ein. Ja, die Digitalisierung werde Jobs kosten und ganze Berufsfelder vernichten, ist sich Rürup wie viele andere Experten sicher. Aber zu Panik neigt er keineswegs. Bei jeder industriellen Revolution habe es die Befürchtung gegeben, dass uns die Arbeit ausgeht. „Aber das wurde bisher immer überkompensiert, weil viele neue Berufe entstanden sind“, sagt er. „Wer hätte gedacht, dass Suchmaschinenoptimierer mal ein gefragter Beruf sein wird?“, fragt Rürup. Er ließ aber offen, ob die Zahl der neuen Jobs in Zukunft auch größer sein wird als die Zahl der wegfallenden Stellen. Klar ist für ihn aber, dass die neuen Berufe anspruchsvoller seien und es somit einen „massiven Qualifizierungsbedarf“ geben werde. Hier sieht Rürup noch viel Luft nach oben.

Die demografische Entwicklung – Deutschland wird ab 2025 massiv schrumpfen – wird ihm zufolge von der Digitalisierung abgefedert. Denn der Arbeitskräftebedarf schrumpfe mit fortschreitender Automatisierung. Das Aber folgt freilich sofort. Weil künftig immer weniger Berufstätige immer mehr Rentner finanzieren müssten und zugleich die Zahl der klassischen Arbeitnehmer zugunsten der Selbstständigen schrumpfe, gerate der Sozialstaat gehörig unter Druck. Vor allem das deutsche Rentensystem müsse daher reformiert werden, sagt Rürup. Am Ende seiner ebenso spannenden wie lehrreichen Rede war der frühere Wirtschaftsweise dann doch bei seinem Lieblingsthema gelandet.

Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Region Heilbronn-Franken ist seit Jahren auf Wachstumskurs und steht wirtschaftlich gut da. Wie Vereinsvorsitzender Harald Friese beim Neujahrsempfang mitteilte, hat der ASB im vergangenen Jahr einen Umsatz in Höhe von 57 Millionen Euro erwirtschaftet. Laut Geschäftsführer Rainer Holthuis hat der Verein eine „tiefschwarze Null“ geschrieben, wächst also profitabel. „Wir sind gesund“, sagt seine Stellvertreterin Izabela Beeken. Daher ist der ASB auch in der Lage zu investieren. Wie Friese ankündigte, werden im laufenden Jahr 35 Millionen Euro in diverse Projekte in der gesamten Region investiert. Aktuell beschäftigt die Hilfsorganisation rund 1280 Mitarbeiter in der Region. Der ASB hat derzeit rund 23 700 Mitglieder in Heilbronn-Franken.


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