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Dienstag, 26. April 2016
Hilfe für Helfer: Bevor der Einsatz krank macht

Feuerwehrleute müssen mit großen psychischen Belastungen klarkommen. Es gibt im Raum Heilbronn mehrere Stellen, die Unfallbeteiligten aber auch Retter in seelischer Not auffangen. Darüber referierte Roland Schmitt von der psychosozialen Notfallversorgung des Arbeiter Samariter Bundes (ASB) gestern in Kirchardt vor Führungskräften der Feuerwehr aus dem Raum Eppingen und Bad Rappenau. Alexander Hettich hat vorab mit ihm gesprochen.

Sie leisten Erste Hilfe für Helfer. Wer ist ihre Zielgruppe?

Roland Schmitt: Wir betreuen Einsatzkräfte von Feuerwehr, Rettungsdiensten, Polizei, Katastrophenschutz und Krankenhauspersonal, aber auch Flüchtlingshelfer − ein Riesenfeld von Personen, deren Risiko für schwere psychische Belastungen um das 15 bis 30-fache über dem von Normalbürgern liegt.

Bei der Veranstaltung in Kirchardt ging es speziell um Feuerwehrleute. Welche Erlebnisse sind besonders belastend?

Schmitt: Einmal ging es um den tödlichen Unfall eines Feuerwehrkameraden, wo die eigene Wehr als Erste vor Ort war. Es ist für die Einsatzkräfte ganz dramatisch, wenn sie einen eigenen toten Kollegen aus dem Wrack schneiden zu müssen.

Wo setzt die Unterstützung an?

Schmitt: Wir setzen an, bevor es zu den sogenannten posttraumatischen Belastungsstörungen kommt. Wir leisten - quasi „Erste Hilfe für die Seele“, bevor Betroffene richtig krank werden und therapiert werden müssen. Wir versuchen, ihnen wieder einen Boden unter den Füßen und eine Struktur und Ordnung in ihrem Leben zu geben.

Wie wird konkret geholfen?

Schmitt: Da gibt es mehrere Säulen. Für die Akutbetreuung während des Einsatzes ist die Notfallseelsorge zuständig, das ist der ökumenische Dienst der Kirchen, beauftragt vom Stadt- und Landkreis Heilbronn. Meistens sind das Seelsorger, die etwa die Aufgabe haben, diese psychischen Ausnahmesituationen für die Betroffenen abzumildern. Der Notfallnachsorgedienst des Roten Kreuzes kümmert sich um die Hilfe vor Ort an der Unfallstelle und bietet weitere Ressourcen an. Diese Einsätze sind meist nach wenigen Stunden vorbei.

Dann kommen Sie mit Ihrem Team ins Spiel.

Schmitt: Genau, danach kommen die nächsten Strukturen, die innerhalb von vier bis sechs Wochen greifen. Es gibt den Einsatznachsorgedienst vom DRK und unsere Psychosoziale Notfallversorgung, die sich speziell an Einsatzkräfte richtet.

Was unterscheidet Einsatzkräfte von anderen Betroffenen im Umgang mit traumatischen Situationen?

Schmitt: Sie sind darauf trainiert, in der Extremsituation handlungsfähig zu bleiben. Die Belastungen treten dann eher im Nachhinein auf.

Wie kommen Hilfesuchende zu Ihnen?

Schmitt: Dass es die Angebote gibt, wird in der Ausbildung angesprochen. Wir sind bekannt und werden direkt angesprochen. Unsere Gruppe setzt sich aus Helfern aller Fachdienste zusammen, Feuerwehrleute, Sanitäter oder Polizisten sind darunter. Die sprechen dieselbe Sprache und haben einen leichteren Zugang als etwa Pfarrer oder andere psychosoziale Fachkräfte. Dann gibt es strukturierte Gruppen- oder Einzelgespräche. Wir erkennen, wer ärztliche Hilfe braucht.

Was sind die typischen Warnzeichen für psychische Probleme?

Schmitt: Betroffene ziehen sich oft zurück, ändern Ess- und Trinkverhalten, rauchen mehr. Zum Teil gibt es extreme Reizbarkeit bis hin zu Aggressivität. Das sind typische Stressreaktion. Wir wollen nicht, dass sie wie früher mit dem Rat bekämpft werden: Schlaf halt eine Nacht nicht, und trink zwei Bier mehr.

Ein Feuerwehrmann kennt keinen Schmerz, auch keinen seelischen. Ist solch falsch verstandener Heldenmut noch ein Problem?

Schmitt: Ein Feuerwehrmann ist stark wie eine deutsche Eiche − diese Ansicht von alten Haudegen gibt es schon noch, wird aber seltener. Trotzdem: 80 Prozent der Signale laufen ohne Worte ab, die Betroffenen sagen das nicht. Wir wollen Führungskräfte der Feuerwehr sensibilisieren, das zu erkennen.

Quelle: Heilbronner Stimme
Autor Alexander Hettich
Datum 21. April 2016

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