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Mittwoch, 30. Juli 2025
Zugunglück in Baden-Württemberg.

Die PSNV bei einer Übung 2024Die PSNV bei einer Übung 2024

Wie kann psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) helfen?

Anlässlich des schweren Zugunglücks, das sich am 27. Juli in Baden-Württemberg im Landkreis Biberach ereignete, sprachen wir mit Roland Schmitt, der die Psychosoziale Notfallversorgung des ASB Region Heilbronn-Franken koordiniert.

Herr Schmitt, welche Rolle spielt die PSNV bei einem derart schweren Unglück wie in Riedlingen und warum ist diese Arbeit so essenziell?

R.S.: Eine sehr große. Neben direkt Betroffenen gibt es viele indirekt Betroffene – Angehörige, Eltern, Kinder – deren Welt durch ein solches Ereignis aus den Fugen gerät. Extreme Gefühle wie Angst, Trauer oder Wut können zu einer psychischen Ausnahmesituation führen, teils bis hin zur völligen Handlungsunfähigkeit.

Können Sie uns schildern, wie ein typischer Einsatz der PSNV bei einem Großschadensereignis abläuft?

R.S.: Ein Notruf mit bestimmten Signalworten oder die ersten Rückmeldungen der Einsatzkräfte vor Ort sorgen für eine Alarmierung der Akutbetreuung. Das sind meist Sanitäterinnen und Sanitäter mit einer Zusatzausbildung. Sie betreuen die (unverletzt) Betroffenen und führen sie in einen "sicheren Raum". Damit stören sie den Rettungsablauf nicht mehr. Während einer Beruhigungsphase wird versucht, die sozialen Netzwerke der Personen zu aktivieren, um eine Übergabe in die Familien- oder Freundesstruktur zu ermöglichen. Die Nachsorge, die speziell für Einsatzkräfte gedacht ist, beginnt mit dem Einsatzende. Dabei gibt es verschiedene Phasen, in denen wir mit den betroffenen Einsatzkräften, Ersthelferinnen und -helfern oder Augenzeugen sprechen. Außerdem stehen wir für Rituale oder Aufbau von Abschieds- und Gedenkstätten zur Unterstützung bereit.

Welche konkreten psychischen Belastungen erleben Augenzeugen, Einsatzkräfte oder auch Angehörige nach solch einem Unglück?

R.S.: Die Betroffenen sind von der Situation wie „geflasht“ und können im ersten Moment damit gar nicht umgehen. Durch die hohe Emotionalität sind kognitive Prozesse massiv gestört oder sogar unterbrochen - die Menschen stehen unter akutem Stress. Einsatzkräfte funktionieren zwar im Moment, sie sind darauf trainiert, aber das eigentliche Verarbeiten beginnt oft erst später. Wenn in den Tagen danach Symptome wie Schlaflosigkeit oder belastende Erinnerungen auftreten, bieten wir unsere Hilfe an.

Inwieweit ist es problematisch, wenn PSNV-Teams bei solchen Ereignissen nicht oder zu spät einbezogen werden?

R.S.: Die Folgen können gravierend sein. Gesicherte Zahlen gibt es nicht, aber es ist bekannt, dass Dauerbelastung krank macht. Depressionen oder posttraumatische Belastungsstörung wären die Folge und damit eine langanhaltende Leidensphase von Betroffenen.

Wie sind Sie als PSNV in der Region Heilbronn-Franken vernetzt, zum Beispiel mit einer PSNV am Unglücksort in Riedlingen?

R.S.: Über Riedlingen selbst kann ich nichts sagen, aber die Strukturen sind landesweit vergleichbar. Wir sind gut mit den Nachbarkreisen Neckar-Odenwald, Hohenlohe oder Schwäbisch Hall vernetzt. Sollten weitere Akutbetreuer benötigt werden, haben die zuständigen Rettungsleitstellen immer die Möglichkeit, über ihre benachbarten Leitstellen, weitere Hilfe anzufordern.

Herr Schmitt, vielen Dank für das Gespräch!


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