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Montag, 29. Juni 2015
Heilbronn: Harald Friese erhält Ehrenring und stiftet einen Preis

Quelle: Rhein-Neckar-Zeitung, 29.06.2015

Von Brigitte Fritz-Kador

Harald Friese (70), der frühere Heilbronner Bundestagsabgeordnete (SPD) und Bürgermeister hat von der Stadt den Ehrenring für sein vielfältiges ehrenamtliches Engagement verliehen bekommen. Es ist der 38ste - es darf stets nur zwölf lebende Träger geben.

Die Geste, mit der sich Friese bei der Stadt bedankte, war eine zum Aufhorchen. Er stiftete zusammen mit seiner Frau den alle zwei Jahre zu vergebenden "Otto-Kirchheimer-Preis für herausragende wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Demokratie und Parteienforschung". Er soll von einem noch zu bildenden Kuratorium erstmals im November zu Kirchheimers 50. Todestag vergeben werden.

Der jüdische Politologe, 1905 in Heilbronn geboren, Emigrant, später Dozent am Wellesly College und der Howard-University, dessen Theorien auch in Deutschland einen erheblichen Einfluss auf die Politikwissenschaft ausübten und der 1965 auf seinen Wunsch in seiner Heimatstadt auf dem jüdischen Friedhof in Heilbronn-Sontheim beigesetzt wurde, war für Friese ein wegweisender Lehrer. Auf dessen Theorien zur Verallgemeinerung innerhalb der Parteien hin zur "Allerweltspartei" als Ursache auch für Wahlmüdigkeit und seine Prophezeiung des Überwachungsstaates schon in den 30er Jahren ging Friese dann auch in seiner Dankesrede ausführlich ein, die ein ganzes Paket an Denkanstößen enthielt. Mit einem Preisgeld von 10 000 Euro wird er Kirchheimer-Preis der höchstdotierte Politologie-Preis in Deutschland sein.

"Wir sind sehr dankbar dafür, dass das Ehepaar Friese mit dem Preis an eine bedeutende Heilbronner Persönlichkeit und einen wichtigen deutschen Staats- und Verfassungstheoretiker erinnert", sagte OB Harry Mergel, der in seiner Laudatio nicht überging, wie Friese schon einmal Schlagzeilen gemacht hatte. Der bis heute überzeugte Sozialdemokrat, Mitglied der SPD ist er seit 51 Jahren, war nach seinem Abschied von der Kommunalpolitik zunächst mit nahezu 40 Prozent der Stimmen in den Bundestag gewählt worden, eckte dann aber mit seiner kritischen Haltung zum Jugoslawien-Einsatz der Bundeswehr und der Agenda 2010 auch bei den Genossen an. "Der aussichtslose Listenplatz 28 im Vorfeld der Wahl 2002, war dann die kleingeistige Reaktion opportunistischer Parteifunktionäre, die Dir bis heute weder politisch, intellektuell noch moralisch das Wasser reichen können" umschrieb der SPD-Mann Mergel diesen Lebensabschnitt.

Begonnen hatte die politische Karriere des in Thüringen geborenen Juristen als Student in Bonn, wo er 1967 Vorsitzender des Sozialdemokratischen Hochschulbundes wurde, kurz darauf auch dessen Bundesgeschäftsführer, bis er 24-jährig Wahlkampfleiter von Katharina Focke wurde, dann ihr Assistent, nachdem sie 1969 Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundeskanzler wurde.

Nach Heilbronn, das er heute als seine Heimat bezeichnet, kam er über Tätigkeiten in Stadtverwaltungen und beim Städtetag nach seiner Wahl als Bürgermeister. Offen bekannte er, dass er damals von der Stadt nur zwei Dinge kannte: die Weinlage "Stiftsberg" und die Firma Knorr - nicht aber das Käthchen. Der Büchernarr wundert sich heute noch über sich. Heilbronn lobt er für dessen historisch-revolutionären Geist und die Offenheit seiner einstigen Wirtschaftspioniere, aber auch dafür, wie es sich aus der letzten Wirtschaftskrise herausgearbeitet hat. Er charakterisiert die Stadt auch treffend in ihrer bis heute anhaltenden Selbstbezogenheit.

Im Ruhestand engagiert sich Friese weiter und genießt dabei die Freiheit der offenen Worte: In seiner Tätigkeit im Regionalverband kritisiert er mit Blick über dessen Grenzen und explizit in Richtung Stuttgart bis nach Brüssel "das kleine Denken in großen Strukturen". Er ist Regionalvorsitzender des ASB und Vorsitzender des Heilbronner Sinfonieorchesters. Frieses Humor kommt gerne durch die Hintertüre, ganz offen aber kokettiert er damit, dass er - dank seiner Frau - weder den Führerschein (er war und ist wohl bis heute der einzige Dezernent einer Stadt, für Verkehrspolitik zuständig, ohne ihn) noch eine Kreditkarte besitzt und bis heute "offline" lebt. Mergel hatte über Friese noch gesagt, dass man seine "manchmal sicherlich anstrengende Dickschädeligkeit" brauche, er hätte auch "Rückgrat" dazu sagen können.

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